Den Städten geht das Wasser aus

Die Welt verbraucht mehr Wasser denn je, vor allem in den Metropolen. Das liegt nicht nur an Dürren, sondern auch an hausgemachten Problemen. Selbst Europa muss umdenken.
Algerien, Saudiarabien oder Mexiko, es gibt Orte, an denen man Wasserknappheit geradezu erwartet. Aber auch die Donau und der Rhein führen wenig Wasser, während der jüngsten Hitzewelle konnten Schiffe an einigen Stellen nicht weiterfahren – wie schon vergangenes Jahr. Experten erwarten, dass dies in Zukunft öfter der Fall sein wird.
Die teils nur kniehohen Flüsse sind ein europäisches Symptom einer globalen Entwicklung, die immer mehr Menschen betrifft. Dies zeigt der neue Wasserrisiko-Atlas, den das World Resources Institute (WRI) kürzlich in Washington veröffentlicht hat. Es wird in vielen Regionen immer schwieriger, die Menschen mit Wasser zu versorgen, so lautet eine der Botschaften des unabhängigen Forschungsinstituts. Vor allem da, wo es besonders viele Menschen zu versorgen gilt, in den Millionenstädten von Asien bis Amerika. Das hat mit der Klimakrise und weniger Niederschlägen zu tun, aber nicht nur.
Bislang ist das Problem meist aus armen Staaten bekannt. Dort hat der Wassermangel existenzielle Ausmasse erreicht. Bereits heute leben zwei Milliarden Menschen in Ländern mit hohem «Wasserstress», bis 2025 wird es nach Prognosen der Weltgesundheitsorganisation (WHO) die Hälfte der Menschheit sein. Wasserstress heisst, dass Angebot und Nachfrage nach Wasser ein ungesundes Verhältnis erreicht haben – Konkurrenz um die Ressource ist die Folge. Zwar werden die Entwicklungsländer die Hauptlast tragen, aber das Wasser dürfte auch in reichen Ländern wie den USA, Australien, Spanien oder Italien knapper und begehrter werden.

Weniger als ein Prozent allen Wassers bleibt für den steigenden Bedarf übrig.

70 Prozent der Erde sind von Wasser bedeckt, von dieser riesigen Menge stecken jedoch 96,5 Prozent in den Ozeanen, weitere 1,7 Prozent sind als Eis an den Polen gebunden. Letztlich bleibt weniger als ein Prozent allen Wassers für den steigenden Bedarf der Menschheit übrig. Laut dem Wasserrisiko-Atlas leiden bereits heute 17 Länder unter «extrem hohem Wasserstress», sie verbrauchen jährlich mehr als 80 Prozent des verfügbaren Oberflächen- und Grundwassers. Rund ein Dutzend dieser Staaten, wie Israel, der Iran und Pakistan, liegen im Nahen Osten, die Knappheit könnte bestehende Spannungen verschärfen. Nun ist auch Indien in die Gruppe mit dem grössten Wasserstress aufgerückt und damit das Land, das bald das bevölkerungsreichste sein dürfte.
Selbst wenn die Menschen noch genug Wasser finden, ist es häufig verunreinigt. Mindestens zwei Milliarden Menschen müssen laut WHO auf Wasser zurückgreifen, das mit Fäkalien belastet ist. «Wir stecken mitten in einer Wasserkrise», sagt Betsy Otto, eine Direktorin des WRI. Diese Krise bedrohe Ernten, verschlimmere Hungersnöte und rücke vielerorts den «Tag null» in Reichweite, den gefürchteten Moment, wenn aus dem Wasserhahn kein Tropfen mehr kommt. «Wir werden künftig wahrscheinlich öfter einen Tag null erleben», sagt Otto.
In manchen Metropolen ist die Krise schon greifbar. In der Millionenstadt Chennai im Osten Indiens trockneten im Juni alle vier Reservoirs fast aus, die Regierung liess Wasser mit Lastwagen und Zügen über grosse Strecken herbeischaffen. Restaurants servierten Speisen nicht mehr auf Tellern, sondern auf Bananenblättern, um Wasser für den Abwasch zu sparen. 2015 hatte São Paulo nur noch für einige Wochen Trinkwasser vorrätig, Regenfälle verhinderten gerade noch rechtzeitig, dass die 22 Millionen Einwohner vor trockenen Leitungen standen. In Bouaké, der zweitgrössten Stadt der Elfenbeinküste, versiegte das Trinkwasser vergangenes Jahr wochenlang infolge ausbleibender Regenfälle. Städten wie Amman, Melbourne und Kapstadt könnten bis 2050 zwischen 30 und 49 Prozent weniger Wasser zur Verfügung stehen.

Wasserinsel Schweiz

Es ist kein Zufall, dass Wassermangel die Metropolen besonders trifft. Dort kann sich eine Kombination aus Bevölkerungswachstum, steigendem Verbrauch und schwindenden Ressourcen schnell zur Grosskrise auswachsen. Die Engpässe sind jedoch häufig hausgemacht, Folge von schlechter Planung und Missmanagement. Los Angeles zum Beispiel, in den USA die Stadt mit dem grössten Wasserstress, hat jahrzehntelang Kanäle gebaut, um Überschwemmungen vorzubeugen. Jedoch führen diese dazu, dass wertvolles Regenwasser ins Meer abfliesst – während die Stadt gleichzeitig pro Tag neun Milliarden Liter Trinkwasser aus anderen Regionen abzapft. Mittlerweile versucht L.A. umzusteuern und den Regen zur Trinkwassergewinnung aufzufangen.

In Indonesiens Hauptstadt Jakarta fällt der Grundwasserspiegel rasant, da mehr als die Hälfte der Einwohner ihr Wasser aus selbst gegrabenen Brunnen bezieht. Leitungswasser können sich die meisten nicht leisten. Die Folge ist, dass der Boden absackt und Jakarta buchstäblich im Meer zu versinken droht. Daran ändert auch häufiger Regen nichts, die Stadt ist zu versiegelt, als dass die Niederschläge einsickern könnten.

Quelle: The World News, 10.08.2019